Finanzielle Leistungsfähigkeit sinkt weiter - Steuerbelastung oder Entwicklungsstillstand?
Mit Blick auf die zum Frühjahr erneut steigende Inflationsrate stellt eine Erhöhung der von der Kommune erhobenen Steuern grundsätzlich eine weitere Belastung für die Bürgerinnen und Bürger dar, welche nach wie vor mehr finanzielle Mittel für Nahrung, Bekleidung, Mieten sowie Dienstleistungen aller Art aufwenden müssen. Weil das den Bürgerinnen und Bürgern nicht auch noch zugemutet werden könne, sah sich der Stadtrat der Stadt Nienburg (Saale) in seiner vergangenen Sitzung veranlasst, der Erhöhung der Steuerhebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer und der Erhöhung der Hundesteuer eine Absage zu erteilen.
Im Vorfeld der Beschlussfassung hatte Bürgermeisterin Susan Falke vorsorglich die Konsequenzen aufgezeigt, die eine solche Entscheidung mit sich bringen würde. In die Waagschalen zu werfen seien einerseits die für die Bürgerinnen und Bürger durchschnittlich moderat ausfallenden Steuererhöhungen (z. B. für die Grundsteuer um 10,00 bis 20,00 EUR/Jahr), auf der anderen Seite der drohende Stillstand für die Weiterentwicklung in der Einheitsgemeinde. Weil beispielsweise bereits geplante Investitionen auf Eis gelegt werden müssten, wenn eine Genehmigung des städtischen Haushaltes ausbliebe.
Haushaltsrecht ist eine komplexe und komplizierte Rechtsmaterie und die finanzielle Lage der Kommune seit Jahren sehr angespannt. Deshalb besteht die Pflicht zu konsolidieren und das unter Aufsicht übergeordneter Prüfbehörden. Dabei genehmigt oder beanstandet die Kreisverwaltung den Haushalt. Auf Landesebene hingegen wird über die Ausreichung von Liquiditätshilfen oder Bedarfszuweisungen entschieden. Heißt, dass die Genehmigung des Haushaltes in Gefahr ist, wenn die Kommune ihr Konsolidierungspotential nicht in ausreichendem Maße ausschöpft. Heißt weiter, dass Bedarfszuweisungen vom Land (= Mittel zum Schuldenausgleich, die nicht zurückgezahlt werden müssen) gar nicht erst beantragt werden können, weil dies ebenso an Bedingungen geknüpft ist. Aktuell steht dafür ein Runderlass des Landes, der vorschreibt, wie hoch die Erträge aus den Realsteuereinnahmen sein müssen, um einen Antrag auf Bedarfszuweisung stellen zu können. Woraus im Fall der Stadt Nienburg (Saale) resultiert, dass die derzeit angewendeten Hebesätze nach oben anzugleichen sind.
Fakt ist, dass der Haushaltsplan seit vielen Jahren nicht ausgeglichen werden und auch in der mittelfristigen Planung kein Haushaltsausgleich erzielt werden. In den vergangenen Jahren wurde das von der Verwaltung vorgeschlagene Konzept zur Fortführung der Haushaltskonsolidierung jeweils vom Stadtrat beschlossen und die Konsolidierungsmaßnahmen sukzessive von der Verwaltung umgesetzt. Dazu gehörten nicht nur Einsparungen und Streichungen, sondern auch konsolidierende Investitionen.
Weder die Verwaltung, noch die Stadträte oder gar die Bürger tragen die Schuld für die stetig sinkende finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt Nienburg (Saale). Ursächlich ist das Verteilerprinzip nach dem Finanzausgleichsgesetz des Landes, welches viele Kommunen, so auch der Stadt Nienburg (Saale), in die Lage versetzt, nicht einmal genug finanzielle Ausstattung für die Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben zur Verfügung zu haben. Attestiert wird solchen Gemeinden eine dauerhaft gefährdete oder bereits weggefallene Leistungsfähigkeit. Gleichermaßen ist auch die Stadt Nienburg (Saale) auf Liquiditätshilfen (zum Ausgleich kurzfristig auftretender Zahlungsschwierigkeiten, sind zurückzuzahlen) und Bedarfszuweisungen angewiesen. Letztere können von der Stadt Nienburg (Saale) jedoch nur beantragt werden, wenn die Steuerhebesätze nach oben angepasst werden (siehe oben). Natürlich beißt sich die Katze da in den Schwanz und natürlich wird damit ein ungeheurer Druck auf die Kommunen ausgeübt. Dennoch muss abgewogen werden.
Zurückblickend auf das anfangs gezeichnete Bild der Waagschalen, in die einerseits die Belastung durch die Steuererhöhungen, andererseits die drohende Handlungsunfähigkeit der Stadt, der komplette Stillstand in deren Weiterentwicklung und möglicherweise eine vom Land auferlegte Zwangsverwaltung zu legen wären, stellt sich die Frage:
"Was wiegt schwerer?"
Im Umkehrschluss kann die Frage auch wie folgt gestellt werden:
"Welche Handlung (Entscheidung) trägt zur Vergrößerung des Allgemeinwohls bei?"
Wohl nicht die, die dazu führt, dass Investitionen nicht getätigt werden können und nicht schulsportrelevante Turnhallen und unser Schwimmbad außer Betrieb gesetzt werden müssen. Sämtliche, sogenannte freiwillige Aufgaben, zu denen leider auch die Grünflächenpflege und die Straßenbeleuchtung gehören, ständen auf dem Prüfstand und möglicherweise vor dem Aus.
Insofern wird dem Stadtrat nun die Möglichkeit gegeben, seine Entscheidung zu überdenken, in dem ihm die Beschlussvorschläge zur Anpassung der Steuerhebesätze erneut zur Entscheidung vorgelegt werden. Alternativ wäre ein Beschluss zur Einsparung im freiwilligen Bereich möglich.
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